Die 3 Tage

Die drei Tage als Gott Gottesdorf vergessen hat

von Werner I. Juretzko

Einer riesengrossen von Horizont zu Horizont sich ausbreitenden Palette gleich mit grellen gelben Farbkleksen, verstreut zwischen den saftig grünen Flächen, entfaltet sich rechts und links die polnische Staatsstrasse 49 vor meinen Augen.

Die grellgelben Flächen sind Rapsfelder in voller Blüte an diesen Tagen im frühen Monat Mai.

Sanft, als ob sie jedem grösseren Berg vor sich ausweichen möchte, schlängelt sich die 49 von Raciborz (Ratibor} nach Oppeln (Opole) durch die Dörfer Oberschlesiens. Nahe der Stadt Opole {Oppeln} plötzlich hoch aus der Ebene gen Himmel ragend, zeigt sich der weisse Kirchturm eines schmucken Dorfes. Das Namensschild an der Ortseinfahrt zeigt den Namen Boguszyce - das frühere Gottesdorf. Ebenfalls der Amtsitz für die Pfarrgemeinde der Dörfer Glockenau und Oderfelde. Die Geschichte überliefert dass, in einigen der letzten Jahrhunderte, die verstreuten Gehöfte hier zu Dörfern wurden und die Menschen hier in Frieden Gott lobten und dienten.

Ja, sogar einem dieser Orte hier in tiefer Ehrfurcht seinen Namen gaben :

 “ Gottesdorf “  - Gottesdorf im Kreis Oppeln.

Boguszyce1

Als Pfarrer Walloschek am Vorabend des 26. Januar 1945 seine 1200 Seelen der Pfarrgemeinde zum flehenden Bittgesang rief und aus hunderten Kehlen der Hilferuf zum Himmel herauf ausging : “ Grosser Gott wir loben dich, Herr wir preisen deine Stärke…….. “ ahnte niemand das am östlichen Ufer der Oder, Marschall Shukov die Rote Armee zum Grossangriff rüstete.

Zum Todesstoss auf Deutschland !  “

Das apokalyptische Inferno welches für drei Tage über diese Gemeinde losbrechen wird, war reif zum platzen und die Stellen wo heute; die so sanft im Winde sich wiegenden grellgelben Rapsfelder um den Kirchturm herum sich in rote Ströme von Blutlachen der nahe 500 abgeschlachteten Pfarrkinder verwandeln werden.

Einige der Männer welche am Vorabend noch voller Mitleid auf den Gekreuzigten blickten, blicken heute selbst gekreuzigt, festgenagelt an Scheunentoren mit dem letzten Röcheln ihres Lebens zum Himmel um Gnade flehend. Eine Gnade die nirgends zu sehen ist . Nur die Spitzen der rohgeschliffenen, vierkantigen russischen Bajonette die in Wellen durch die einzelnen Gehöfte mordend ziehen und alles was in deutscher Sprache um Gnade winselnd fleht, blutrünstig zu Tode verstümmelt - zerstückelt - zerhackt !

Der Holocaust hat in Gottesdorf, Glockenau und Oderfeld begonnen.

Die jetzt vom Blutrausch besessene, vom Alkohol besoffene und im unaussprechlichen Deutschenhass angetriebene sowjetische Soldateska verwandelt in die Wirklichkeit den von Ilya Erenburg verfassten und von Stalin in seinem Tagesbefehl # 51 erlassenne Direktive :…… “ Ruhmreicher Sowjetsoldat, du hast deutschen Boden betreten. Töte - Plündere - Vergewaltige !

Töte das ungeborene Kind im Leibe der faschistischen Bestie….”

Tag und Nacht werden die Hälfte der Bewohner geschlachtet. Die Frauen vergewaltigt, danach ihre Unterleiber aufgeschlitzt. Schüsse fallen nur wenige. Der Tod wäre zu schnell. Bajonette und Gewehrkolben bringen einen längeren, mehr qualvolleren Tod.

Pfarrer Franziskus Walloschek stirbt ebenfalls einen qualvollen Tod . Mit der einzigen Waffe in der Hand die er je kannte, dem Rosenkranz, auf den das Blut der durchgeschnittenen Kehle tropft.

Drei Tage wüten sie, die Rotarmisten, wie von den Grabsteinen die jetzt die polnische Regierung aufzustellen erlaubt, zu ersehen ist, welche alle den 28, 29, und 30 Januar 1945 zeigen.

Die meisten Männer sind beseitigt. Jetzt kommen die Frauen dran. Aus den Häusern hört man erst das Schreien der Frauen, dann das Wimmern und zum Schluss der Schuss.

Aus einigen Häusern sind manchmal die Töne der Balaleikas zu vernehmen. Dann spielen die Russen ihre vom Heimweh, fern der Heimat klingenden Waisen der “ Kalinika ”,” Wolga,Wolga ” oder das so herzaufwühlende, melancholisch fast Tränen hervorbringende Lied  “ Wjetscherne Zwon ” {Abendglocken am Don}.

Towarischi, heute noch trinken und singen wir, morgen ist ein neuer Tag. Am westlichen Horizont sind noch viele Gottesdörfer zu finden ! Wir müssen diese noch alle befreien !

Trinkt, singt ihr ruhmreichen “ heldenhaften Rotarmisten “.

Die Dorfstrasse von Gottesdorf von rechts nach links durch beide Gossen watend, torkelt der siegestrunkene, besoffene Rotarmist. Auf der Spitze seines Bajonetts einen abgeschnittenen Busen aufgespiest paradierend und singt gröllend ein Lied. Angefeuert von dem Beifall seiner Genossen, gröllt er noch lauter.

“Ich glaube, als die hier in Gottesdorf mordeten, musste der liebe Gott gerade auf die andere Seite der Welt geguckt haben” sagte eine Überlebende des schlesischen Holocaust.

Als sie das sprach, wollte sie weinen aber ihre Augen hatten keine Tränen mehr !


Zu den Bildern :

Bog1

Der in jenen Tagen 13 jährige Franz Wojcek aus Zlinic {Glockenau} errinnert sich noch sehr gut an den Blutrausch der russischen Soldateska.” Sie können ruhig meinen Namen schreiben” sagt er, mit einem Gesicht, aus dem heute noch der Schrecken zu lesen ist .

Bog2

Hier auf dieser Dorfstrasse in Gottesdorf, spielten die Russen Fussball mit den abgehackten Köpfen der Deutschen.

Bog3

Gielnik- Die Familie Gielnik- sie alle starben während des dreitägigen Halocaust. Dahinter das Grab von Pfarrer Franziskus Walloschek - “Parochus Bonum Pastorem sectus”

Bog4

Bog5

“Ewiges Gedächtnis den Zivilpersonen aus Gottesdorf, Glockenau und Oderfelde. Ermordet von Russischen Soldaten Januar 1945.”

Bog6

Aufschrift auf einem der Gedenksteine auf dem Friedhof von Gottesdorf.

Erschienen in der Eintracht am 03.06.99

Zum vorherigen Artikel

Home

Zum nächsten Artikel